Kleine Tee-Geschichte

 

Tees zur Gesundheitsförderung aber auch zur Therapie von Krankheiten wurden schon in der Antike getrunken. Wir alle kennen aus der Mythologie den Gott Asklepios, den Sohn des Apoll, mit seinem schlangenumwundenen Stab, der zum internationalen Symbol für die Ärzteschaft wurde. Asklepios bewachte nicht nur den Heilschlaf der Menschen (Tempelschlaf), sondern war auch Herr der Heilkräuter. Der griechische Philosoph Aristides (117-138 n.Chr.) rühmte in einer Rede auf Asklepios die göttliche Heilkunst: "Und wirklich es ist vieles befremdlich in den Heilmitteln Gottes, so wenn einer Kreide, ein anderer Schierlingssaft trinken soll, und wenn wieder einer seine Kleider ablegt und sich kalt abwäscht, wenn man denken sollte, daß er der Wärme bedarf. Uns selbst hat er in dieser Weise ausgezeichnet, indem er unsere Katarrhe und Erkältungen durch Bäder in Flüssen und im Meer beseitigte…"

Während heutzutage zwar meistens die gleichen Kräuter wie in der Antike benutzt werden, unterscheidet sich ihre Anwendung inzwischen doch oft erheblich. Beispielsweise wurde die Pfefferminze, usprünglich aus den Gebeinen einer Tochter (Mintha) des Cocygus entstanden, die von Persephone (Gattin des Pluto, des Beherrschers des Hades) aus Eifersucht getötet wurde, weil diese sich Pluto hingegeben hatte, sogar zur Bekämpfung der Cholera angewandt, wie der Enthnopharmakologe Christian Rätsch in "Heilkäuter der Antike" berichtet.. So schreibt Dioskurides (1. Jhd. n. Chr.) in seiner fünfbändigen "Arzneimittellehre": "Die Minze tötet ferner die runden Würmer, reizt zum Liebesgenuß, bringt den Schluckauf, den Brechreiz und die Cholera zur Ruhe, wenn zwei bis drei Reiser davon mit Granatapfelsaft genommen werden. Mit Graupen umgeschlagen, zerteilt sie Abszesse; auf die Stirn gelegt, lindert sie Kopfschmerzen, besänftigt geschwollene und strotzende Brüste". Heute kommt die Pfefferminze, zusammen mit Enzianwurzel, Wermutkraut, Ringelblumenblüten oder Pomeranzenschale als Teegetränk oder Likör bei Magen-Darmbeschwerden, Erkrankungen des Gallesystems sowie Appetitlosigkeit zum Einsatz. Auch die Brennessel erfuhr eine Wandlung in ihrem Gebrauch: Weil die Brennessel auf der Haut brennt, schloß man in der Antike auf ihre Kraft als Aphrodisiakum bei Mensch und Tier. So schrieb Plinius in seiner "Naturkunde": "Wenn ein Vierfüßler es nicht zur Zeugung kommen läßt, rät man, das Geschlechtsteil mit einer Nesel einzureiben…" In der modernen Phytotherapie wird die Brennessel zur Unterstützung rheumatischer Beschwerden, zur Durchspülungstherapie bei entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege sowie zur Vorbeugung von Stein- oder Grießbildung eingesetzt.

Wie wir hier schon sehen können, hat sich der Indikationsbereich von Heilpflanzen über die Jahrhunderte hinweg und auch im Lichte neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse sehr verändert. Mit der Rückbesinnung auf alte Heilmethoden erleben aber zur Zeit auch alte Kräuterbücher eine Wiederbelebung, in denen dieses jahrhundertealte Erfahrungswissen versammelt ist. Man findet sie im Antiquariat oder auf Flohmärkten. Es sei aber nachdrücklich davor gewarnt, diese Rezepte unkontrolliert anzuwenden. Denn viele der dortigen Autoren bestimmen Naturheilverfahren, hier: Kräuterverfahren, durch eine Haltung, die man nicht wissensbasiert, sondern dogmatisch nennen kann wie zum Beispiel die Signaturenlehre oder auch die "Hildegardmedizin" mit ihren falschen und teilweise gefährlichen Indikationsangaben. Leider wurden diese Angaben von heutigen Autoren in modern aufgemachten Kräuterratgebern oftmals kritiklos übernommen, sodaß auch hier generell nur empfohlen werden kann, jede einzelne Indikation und auch jedes einzelne Rezept zu überprüfen bzw. in der Apotheke fachkundig überprüfen zu lassen.

Pflanzen und Pflanzenteile, die zur therapeutischen Anwendung am Menschen gedacht sind, nennt man Drogen. Sie werden meist durch Trocknung haltbar gemacht, wie hier bei den Teedrogen. Der Begriff Droge (= "Getrocknetes") entstammt der Pharmazie und umfaßt im eigentlichen Sinn Pflanzen, Tiere oder Mikroorganismen (oder Teile davon), aus denen dann eine Arznei hergestellt wurde, während außerhalb von Fachkreisen im allgemeinen Sprachgebrauch mit dem Begriff Droge heute nur noch der Gebrauch von psychotropen Substanzen zur Erzeugung von Rauschzuständen beschrieben wird.

Im Laufe der Zeit und befördert durch immer neuere wissenschaftliche Erkenntnisse haben sich manche der früher gebräuchlichen Heilpflanzen als unwirksam oder sogar als schädlich bzw. giftig erwiesen. Diese sind heute nur noch Grundlage homöopatischer Verordnungen, weil durch die dort übliche immens große "Verdünnung" (Potenzierung) Schadwirkungen oder Vergiftungen nicht mehr zu erwarten sind. Bei anderen Heilpflanzen hingegen erwiesen sich ihre Inhaltsstoffe als so wirksam, daß sie als wirkstoffstandardisierte Medikamente Grundlage der sog. Rationalen Phytotherapie (z. B. Weißdorn, Mariendistel, Teufelskralle, Johanniskraut, Goldrute, Roßkastanie) wurden oder aber auch Vorbild für heute verschreibungspflichtige Medikamente wie z. B. Digitalis (Fingerhut) in der Kardiologie, Paclitaxel (pazifische Eibenrinde) in der Onkologie oder Atropin (schwarze Tollkirsche) in der Augenheilkunde oder bei der Parkinsonerkrankung.