Solche Unverträglichkeiten können denn auch bei den Betroffenen zu Nahrungsmittelvergiftungen (und nicht zur Allergie!) führen. Asiaten fehlt z. B. die Alkoholdehydrogenase, ein Enzym, das in der Leber für den Abbau von Alkohol sorgt. Entsprechend wenig können sie vertragen mit dem angenehmen Nebeneffekt, daß dann ein Rausch preiswert ist. Sie haben auch häufig einen Laktasemangel, deshalb kennt die asiatische Küche traditionell keine Milch und Milchprodukte. Bei den Mittelmeervölkern wiederum ist ein Defekt an der Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase, einem Enzym der roten Blutkörperchen, dafür verantwortlich, daß sie keine Saubohnen essen dürfen, weil sie sonst in eine lebensgefährliche hämolytische Krise geraten, d. h. ihre roten Blutkörperchen zerfallen. Enzymopahien können genetisch determiniert, also angeboren oder aber erworben sein. So gibt es Menschen, die im erwachsenen Leben keine Milchprodukte mehr vertragen. Meist hilft da schon der Verzehr von milchsauer vergorenen Produkten wie Joghurt, Buttermilch oder Kefir. Allerdings verbirgt sich hinter einer “Kuhmilchallergie” eine sogar häufig nicht für möglich gehaltene Allergie gegen Soja-“Milch”, wie der Lebensmittelchemiker und Toxikologe Manfred Metzger (Karlsruhe) warnt. Besonders Birkenpollenallergiker können leicht eine Kreuzallergie zu Sojaproteinen entwickeln.

Mit Freien Radikalen assoziierte Erkrankungen sind:

Beispiele für mangelnde Schutzmechanismen:

  1. genetische Ursachen: Fanconi-Syndrom (= rezessiv erbliche Anämie im Kindesalter), systemischer Lupus erythematodes (= Überempfindlichkeit der DNA gegenüber Freien Radikalen)
  2. erworbene Ursachen: allgemein im Alter, Überschwemmung des Organismus mit Freien Radikalen (z. B. ionisierende Strahlen, Zerstörung der Schutzmechanismen)


3 Krankmachend – aber höhere Lebenserwartung

Wir fassen nochmals die gesundheitsgefährdenden Einflüsse durch veränderte Lebensbedingungen zusammen (ohne Gewichtung und ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

Die Zahl genetisch bedingter Krankheiten hat sich in den vergangenen 30 Jahren verzehnfacht. Bei der entsprechenden weltweiten Datenbank sind inzwischen 17.000Störungen und Krankheiten mit Genbezug erfaßt, wie das Nationale Netzwerk seltener Krankheiten in Hamm/Westf. mitteilte. Im Jahr 1976 seien es erst 1.700 Einträge gewesen. “Es werden aber nur ganz selten neue Krankheiten entdeckt, sondern vielmehr bereits bekannte immer weiter aufgeschlüsselt”, sagt Claus Schroeter, der Leiter des Netzwerks. Im April 2005 hatte die Zahl der Einträge bei der Datenbank OMIM (Online Mendelian Inheritance in Man) in Baltimore/USA die Marke von 16.000 überschritten. Den Kranken würde der Fortschritt jedoch nicht immer helfen. “Die Betroffenen bekommen dadurch zwar einen immer präziseren Namen für ihr Leiden, doch neue Medikamente werden dafür nicht entwickelt”, so Schroeter.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß die genetischen Unterschiede zwischen Menschen deutlich größer sind als bislang angenommen. “Nature” zufolge könnte sich demnach die Annahme als Irrtum erweisen, daß die 6 Milliarden Menschen auf der Erde zu 99,9% übereinstimmende Erbanlagen haben. Es wurden das Fehlen oder mehrfache Vorkommen bestimmter Genabschnitte überprüft und es ergab sich die überraschend hohe Zahl von 1.447 Unterschieden in 2.900 Genen. Wenn man dann noch bedenkt, daß ein Gen für sich genommen nichts bedeutet, sondern erst seine Expression, bzw. seine (enzymgesteuerte) Aktivität, bzw. Inhibierung, dann könnte dies vielleicht auch erklären, warum z. B. einige Menschen dick werden und andere schlank bleiben trotz gleicher Ernährungsgewohnheiten. Es ist sicher nicht so, wie neuerdings immer behauptet, daß für das Körpergewicht ein einziges Gen verantwortlich ist, das nun identifiziert und auf das zudem eine Gewichtszunahme von maximal zwei Kilogramm zurückzuführen sei.

Inzwischen scheint es nun gelungen zu sein, die Hypothese, wonach neue Arten nicht so sehr durch Genmutation entstehen, sondern durch Veränderungen in den Steuerungszentralen der Gene, zu verifizieren (Science, Bd. 317, S. 815).Die Steuerungszentralen liegen demnach meistens unmittelbar vor den Genen. Sie enthalten nur wenige Genbausteine lange Kontaktstellen für unterschiedliche Regulationsproteine – die sogenannten Transkriptionsfaktoren. Diese kooperieren miteinander und signalisieren gemeinsam dem nachgelagerten Gen, wann und wie stark es aktiv werden soll und dann in eine entsprechende Messenger-RNA zu übersetzen ist. Offensichtlich haben sich die Kontrollelemente der Gene im Laufe der Evolution viel schneller verändert als die Gene selbst, von denen man bisher von einer überaus großen Trägheit ausging. Regulatorische Sequenzen haben somit vermutlich viel stärker als veränderte Proteinstrukturen zu hervorstechenden Entwicklungen im Laufe der Evolution geführt.

Daß bei alledem auch eine Rolle spielt, in welchem geographischen Fleck der Erde ein Mensch sein Leben verbringt, soll nicht unerwähnt bleiben. Das individuelle Genmuster interagiert mit den Umwelt-und Bodenverhältnissen zu seinem “Lebensraum”. Wandert nun dieser Mensch aus, bzw. wandert aus einem fremden Kulturkreis ein, trifft sein Gen-Kostüm auf völlig andere, ungewohnte Bedingungskomplexe seiner neuen Umgebung und gehören zur Epigenetik. Solche neuen Konstellationen können sehr wohl Erkrankungen provozieren, die bei diesem Menschen sonst vielleicht nie aufgetreten wären.

Gegen alle diese Faktoren als – übrigens höchst individuelle! – Krankheitsverursacher wird oft eingewandt, wir hätten schließlich in der westlichen Welt eine immer höhere Lebenserwartung. Das sei doch eigentlich derBeweis dafür, daß es mit unserer Umwelt so schlecht gar nicht bestellt sein könne. Unsere höhere Lebenserwartung ist – wiederum nach WHO-Definition – allerdings auf andere Faktoren zurückzuführen:

  1. Es gibt keine globalen Seuchen mehr, die ganze Länder entvölkern, wie weiland z. B. die Pest.
  2. Es gibt weltweite Impfprogramme.
  3. Wir haben eine bessere medizinische Versorgung als damals beim Dorfbader, z. B. mit Antibiotika.
  4. Die heutige Nahrung hat eine andere Qualität als die frührerer Jahrhunderte. Sie ist nicht mehr verfault, verschimmelt, verkeimt.
  5. Die allgemeinen hygienischen Verhältnisse haben sich verbessert. Inzwischen hat jeder Haushalt sein eigenes Bad und WC, die jedem Menschen zur Verfügung stehende Wohnfläche hat sich in den Industrienationen seit Kriegsende fast verdoppelt.
  6. Es gibt kaum noch schwere körperliche Arbeit. Diese wird heute von Maschinen erledigt. Es gibt keine Kinderarbeit.
  7. Die allgemeine Schulpflicht hat die Menschen aufgeklärt und in die Lage versetzt, selbst auf ihr Leben und ihre Gesundheit zu achten.
  8. Es gibt weniger Opfer von Kriegen, Unglücken und Naturkatastrophen durch politische Maßnahmen (Friedensverträge, bzw. internationale Verflechtungen, Deichbau, bessere Maschinen, Schiffe, usw.).

Diese Fakten stützen den Befund des Wissenschaftshistorikers John Komlos (LMU München und Princeton University), wonach von der Kolonialzeit bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts Amerikaner körperlich größer waren als andere Populationen, einschließlich der Europäer. Jetzt haben die Europäer die Amerikaner aber an Körpergröße überholt. Grund ist die bessere soziale Absicherung der Menschen in Europa gegenüber denen in den USA.

Allerdings sagt eine statistische Zahl nie etwas über ein Einzelschicksal aus. Auch bei der statistisch allgemein höheren Lebenserwartung werden weiterhin Menschen lange vor ihrer biologischen Zeit sterben.

Die WHO erklärt übrigens nicht die höhere Lebenserwartung von Frauen gegenüber Männern. Neben zahlreichen Hypothesen ist diese wohl am ehesten plausibel: Männer haben ein X-und ein Y-Chromosom (XY). Auf dem Y-Chromosom befinden sich alle das Männliche determinierenden Merkmale, während auf dem X-Chromosom der gesamte übrige Mensch “geregelt” wird: Blutdruck, Augenfarbe, Begabung, usw. Und damit ist die Frau als Trägerin von zwei X-Chromosomen (XX) gleich doppelt ausgestattet. Versagt ein Steuergen auf demeinen X, dann springt das entsprechende Gen auf dem zweiten X an, sozusagen als “Notstromaggregat”. Der Genetiker Steve Jones vermutet, daß das Testosteron Gift für die männliche Immunabwehr sei. In den 30er Jahren wurden in den USA junge Männer, z. B. Straffällige oder Schwachsinnige, kastriert. Ihre Lebenserwartung lag danach 13 Jahre über dem Durchschnitt. Das Y-Chromosom sei extrem anfällig und habe keinen Austausch mit anderen Chromosomen, Schäden häuften sich, sodaß es im Laufe der Jahrtausende seine Größe eingebüßt habe. Auch würden männliche Föten häufiger abgestoßen. Damit ist aber nicht erklärt, aus welchem biologischen Grund Frauen länger leben. Denn schließlich benötigen sie ihr höheres Lebensalter nicht mehr zur Kinderaufzucht. Möglicherweise soll diese “Doppelsicherung” Zwischenfälle verhindern, die während der Schwangerschaften auftreten und die Frucht gefährden könnten. Dagegen führen typisch männliche Verhaltensweisen wie Schlägereien, Verkehrs-oder Arbeitsunfälle, Kriegshandlungen oder Trunksucht zur Verkürzung der Lebenserwartung bei Männern. Denn Männer verhalten sich oft dumm: Sie klettern auf hohe Berge oder spielen Golf im Gewitter. Das verkürzt ihr Leben. Indirekt wird diese Schlußfolgerung bestätigt durch die Tatsache, daß von allen Männern Mönche die höchste Lebenserwartung haben, kann man doch davon ausgehen, daß die oben genannten Faktoren wie Wirtshausschlägereien oder Verkehrsunfälle in Klöstern eher selten vorkommen.

An der Havard Universität werden seit 1940 die Lebensläufe von 724 Männern begleitet und dokumentiert: 456 gesellschaftlich benachteiligte Innenstadtjugendliche und 268 Havard-College-Studenten. Ärztliche Untersuchungen wurden alle fünf, psychosoziale Prüfungen alle zwei Jahre durchgeführt. Danach ergaben sich acht Faktoren, die ein zufriedenes Alter und längeres Leben vorherzusagen scheinen:

  1. Nichtrauchen
  2. mäßiger Alkoholkonsum
  3. eine stabile Ehe, bzw. Partnerschaft
  4. körperliche Bewegung
  5. entsprechendes Körpergewicht
  6. positive Problembewältigungsstrategien
  7. keine depressiven Erkrankungen
  8. höhere Bildung

Alle diese acht Faktoren bedeuten, daß sich der betreffende Organismus mit weniger Freien Radikalen auseinandersetzen muß als ein anderer. Ob und wie man glücklich alt wird, liegt also zum Teil an einem selbst, seinem Umfeld bzw. an seinen Genen. Fazit ist, daß folgende Faktoren idealerweise zusammenkommen müßten, um ein sehr hohes Alter zu erreichen: weiblich, kein Nikotin, kein Alkohol, immer moderat unterkalorische Ernährung, diese aus selbstangebauten Pflanzen und Getreide (wegen der körperlichen Arbeit), Sauermilch und Fisch, bzw. mageres Lammfleisch, beständiger Aufenthalt in sonnigen Gefilden, jedoch ohne Heizung oder Klimaanlage, gleichförmiger, rhythmisierter Tagesablauf, mäßige Bewegung, also kein Joggen, keinen Sex, kein Radio, Fernseher, Kühlschrank, Staubsauger, eher Typ Höhlenmensch. Dabei drängt sich aber eine Frage auf: Warum will ein Mensch unter diesen Bedingungen überhaupt so alt werden?